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Todes-Fatwa: STOP THE BOMB fordert, den Sänger Shahin Najafi zu schützen und die iranische Botschaft in Deutschland zu schließen

STOP THE BOMB Presseerklärung, 13. Mai 2012 (korrigierte Version)

Staatlich kontrollierte iranische Medien wie Day News haben zur Ermordung des in Köln lebenden Sängers Shahin Najafi aufgerufen; das Webportal Shia Online setzte sogar 100 000 Dollar auf seinen Kopf aus. [1]

Die Medien berufen sich auf eine Todes-Fatwa, die der iranische Großayatollah Safi-Golpayegani im April erließ. [2] Nach einer solchen Fatwa sind nicht nur Schiiten, sondern auch andere Muslime aufgerufen, den Verurteilten zu ermorden.

Mit der Todes-Fatwa beweist das iranische Regime, dass es den Anspruch verfolgt, das islamistische Gesetz auch im Ausland durchzusetzen. Die Bundesregierung hat sich bisher nicht öffentlich geäußert; deutsche Behörden haben stattdessen dem Kölner Sänger nahegelegt, Deutschland zu verlassen. [3]

Ulrike Becker vom Bündnis STOP THE BOMB sagt dazu: "Das Schweigen der Regierungsverantwortlichen ist ein Skandal. Berlin muss die Todes-Fatwa unmissverständlich und öffentlich verurteilen. Es ist vollkommen inakzeptabel, dass deutsche Behörden einem Kritiker der iranischen Diktatur nahelegen, die Bundesrepublik zu verlassen. Die Bundesregierung sollte dem Beispiel Großbritanniens folgen und sämtliche iranische Diplomaten aus der Bundesrepublik ausweisen, um Shahin Najafi und andere Regimekritiker zu schützen."

Der Mord an drei kurdischen Oppositionspolitikern und einem Dolmetscher im September 1992 im Berliner Restaurant Mykonos hat bewiesen, dass das iranische Regime nicht davor zurückscheut, Morde auch in Deutschland auszuführen. Einer unvollständigen Auflistung des Iran Human Rights Documentation Center zufolge, hat das Regime bisher mindestens 162 regierungskritische Iranerinnen und Iraner im Ausland ermordet. [4] Immer wieder haben hierbei die iranischen Botschaften als die Schaltzentralen des Terrors gedient.

Großayatollah Safi-Golpayegani, der die Todes-Fatwa ausgesprochen hat, ist ein Vertrauter von Revolutionsführer Ali Khamenei. Dies legt nahe, dass dieser Mordaufruf gegen Najafi mit Zustimmung des Regimes ausgesprochen wurde. Diese Fatwa ist deshalb genauso ernst zu nehmen wie die Fatwa gegen Salman Rushdie 1989 oder das religiöse Todesurteil gegen den aserbaidschanischen Journalisten Rafiq Tagi, der nach dem Erlass einer Fatwa durch den iranischen Ayatollah Fazel Lankarani 2011 ermordet wurde. [5] 

Den Mordaufruf des Ayatollah Khomeini gegen den britischen Schriftsteller Salman Rushdie hatte der Deutsche Bundestag seinerzeit zutreffend  als "eine Kriegserklärung gegen unser Rechts- und Wertesystem, gegen das Völkerrecht und gegen die universellen Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen" kritisiert. [6] Diese Einschätzung gilt nicht minder für den Mordaufruf gegen Shahin Najafi.

"Mit ihrem Stillschweigen schürt die Bundesregierung  den Verdacht, diese 'Kriegserklärung gegen unser Rechts- und Wertesystem' hinnehmen zu wollen, um die bevorstehenden Nuklearverhandlungen in Bagdad nicht zu belasten. Damit ermutigt sie die Häscher des Regimes. Die Bundesregierung darf vor islamistischem Terror nicht einknicken, weder in der Atomwaffenfrage, noch bei der Schutzpflicht gegenüber hier lebenden Exiliranern," so Ulrike Becker weiter. 

STOP THE BOMB fordert neben der Schließung der diplomatischen Einrichtungen des iranischen Regimes ein sofortiges Verbot der Hisbollah, da diese Organisation dem Regime als Handlanger dient. [7]

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[1] http://jungle-world.com/von-tunis-nach-teheran/1681/, http://farsnews.com/newstext.php?nn=13910220001285

[2] Wahied Wahdat-Hagh zufolge hat die Agentur Daynews die Fatwa des Großayatollahs mit folgendem Wortlaut veröffentlicht: Großayatollah Safi Golpayegani wird wie in einer Fatwa üblich gefragt: „Im Namen Gottes. Seit einiger Zeit sind einige Söldner, die hauptsächlich zur Konterrevolution im Ausland gehören, dabei, ganz einfach im Internet und in ihren Websites und in ihren Webloggs unseren unschuldigen Imam Hadi zu beleidigen. Sie werden unverschämt (mit Witzen, Karikaturen, Beleidigungen. Lügen usw…), was ist das Urteil gegen diese Personen? Die Antwort des Großayatollahs lautet: Falls sie den Imam verletzt und beleidigt haben, sind sie Abtrünnige.“ http://jungle-world.com/von-tunis-nach-teheran/1681/

[3] http://www.taz.de/Todesdrohungen-gegen-iranischen-Musiker/!93251/

[4] Vgl. Iran Human Rights Documentation Center: "Iran's Global Assassination Campaign" (Mai 2008), S. 67-76. Die Liste ist nicht vollständig, sondern enthält nur diejenigen Namen, für die es ausreichende Belege gibt. Sowie: Iran Human Rights Documentation Center: Condemned by Law: Assassination of Political Dissidents Abroad. Siehe auch: http://daserste.ndr.de/panorama/media/panorama358.html.

[5] http://derstandard.at/1319183875174/Journalist-nach-Angriff-gestorben

[6] Bundesdrucksache 11/4057 vom 22. Februar 1989, zitiert nach Matthias Küntzel: Die Deutschen und der Iran. Geschichte und Gegenwart einer verhängnisvollen Freundschaft, Berlin 2009, S. 179.

[7] Vgl. zum Beispiel: Iran Human Rights Documentation Center: Murder at Mykonos: Anatomy of a Political Assassination sowie Florian Markl: Der lange Arm der Mullahs. Iranischer Terror von Beirut bis Buenos Aires, in: Stephan Grigat, Simone Hartmann (Hrsg.): Der Iran. Analyse einer islamischen Diktatur und ihrer europäischen Förderer, Wien 2008, S. 128-146.

 

Der Song: Shahin Najafi - Naghi

 

Übersetzung der Fatwas

Bild aus einem Computerspiel, mit dem zum Mord an Shahin Najafi aufgerufen wird.

Presse und Hintergrund

VIVA - Kopfgeld auf iranischen Rapper mit Wohnsitz in Köln (26.6.2012)

ARD Brisant - Shahin Najafi mit Tod bedroht (26.6.2012)

Bundestag - Bundestagsabgeordnete solidarisch mit dem verfolgten iranischen Musiker Shahin Najafi (15.6.2012)

Akademie der Künste - Petition: Solidarität mit Shahin Najafi(15.6.2012)

Gerd Buurmann - Aktion: Gesicht Zeigen! (11.6.2012)

CDU/CSU - Kunst- und Meinungsfreiheit sind in Deutschland nicht verhandelbar (8.6.2012)

Deutschlandradio - Günter Wallraff kritisiert "bequeme Feigheit" in Deutschland (7.6.2012)

Gerd Buurmann - Solidarität mit Shahin Nadschafi! (6.6.2012)

Matthias Küntzel - Kein "Schrei im Wind" (6.6.2012)

Arshama3's Blog - Aufrecht sterben – Rapper Shahin Najafi trotzt der Todes-Fatwa (5.6.2012)

Titel, Thesen, Temperamente - Angekündigter Mord. 100.000 Dollar für den Kopf von Shahin Najafi (3.6.2012)

WELT - Wie die Mullahs Rapper Najafi im Internet jagen (1.6.2012)

Jungle World - Iranisches Regime verbreitet Computerspiel zum Mord an Shahin Najafi und "Apostaten" (1.6.2012) (Persische Übersetzung)

Deutschlandradio - Beschämendes Schweigen. Kommentar von Matthias Küntzel (31.5.2012) (Langversion mit Stellungnahme des AA)

Transparency for Iran - Trotz staatlicher Repressionen: Iranische Untergrund-Musikszene wächst (28.5.2012)

Financial Times Deutschland - Satanische Verse. Interview mit Shahin Najafi (28.5.2012)

Spiegel - Staatsanwaltschaft ermittelt gegen iranischen Diplomaten in München wegen Verbreitung der Fatwas (25.5.2012)

Faz-Interview - "Eine Fatwa ist ja kein Ratschlag" (23.5.2012)

Ali Schirasi Webblog - Iranische Generalstaatsanwaltschaft ermittelt gegen Shahin Najafi (22.5.2012)

Fox News - Iranian rapper in hiding, but defiant after call for his death (21.5.2012)

Günter Wallraff fordert mehr Unterstützung für Shahin Najafi (20.5.2012)

Facebook-Seite von Shahin Najafi

Ali Schirasi: Mordfatwa gegen Shahin Najafi - mit Übersetzung des Textes (14.5.2012)

Taz-Interview mit Shahin Najafi (12.5.2012)

Pars Daily News: Javad Asadian über das Atomprogramm und die Todesfatwa (persisch)